Diesel-Nachrüstung auf Euro 6 – Krisenbewältigung

Deutschland steckt in der Dieselkrise. Nachrüstungs-Kits, um Euro-5-Diesel auf Euro 6 umzurüsten, stehen nach eher verhaltenen Effekten der Software-Updates wieder zur Debatte. Ist die Diesel-Nachrüstung sinnvoll?

14.06.2018

Umrüstungen für Euro-5-Diesel
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Feinstaub und Stickoxid beeinträchtigen die Lebensqualität, die Umwelt und die Gesundheit. In EU-Städten gelten deshalb Grenzwerte für die Schadstoffbelastung. In 2015 hat die Kommission als Reaktion auf mehrfache Grenzwertüberschreitungen ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Zur selben Zeit klagte die Deutsche Umwelthilfe wegen Verstößen gegen den Luftreinhalteplan – mit schwerwiegenden Folgen für deutsche Dieselbesitzer. Um die Fahrverbote in Großstädten zu umgehen, steht die Diesel-Nachrüstung auf Euro 6 oder gar eine Neuanschaffung an.

1. Wege aus der Dieselkrise

Der VW-Skandal war nicht die einzige Schlagzeile, die für Besitzer von Dieselfahrzeugen etwas verändert hat. Von Grenzwertüberschreitungen und illegalen Abschalteinrichtungen bis hin zu Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist einiges passiert. Die Reaktionen darauf sind angeordnete Fahrzeugrückrufe und Fahrverbote in besonders belasteten Städten. Neben älteren Modellen sind auch Euro-5-Diesel und sogar solche mit Euro-6-Norm, die dennoch zu viele Schadstoffe ausstoßen, problematisch.


Angeordnete Fahrzeugrückrufe bei Autoherstellern wie VW, Seat, Audi und Skoda machten nach dem VW-Betrugsskandal den Anfang der Diesel-Updates per Software. Mittlerweile geht es bei der Dieseldiskussion aber nicht mehr nur um Umrüstungen am EA189-Motor. Für alle manipulierten Fahrzeuge soll die Nachbesserung per Software-Update abgeschlossen sein.

Seit September 2015 gilt für neu zugelassene Dieselautos die Euro-6-Norm. Ehemals erlaubte Stickoxid-Emissionen von 180 Milligramm pro Kilometer haben sich dadurch auf 80 Milligramm reduziert.

Software-Updates sind umstritten

Diesel-Nachrüstung per Software-Update

Ob manipulierte Dieselfahrzeuge eine Betriebserlaubnis besitzen, bleibt aus rechtlicher Sicht ungeklärt. Das Kraftfahrt-Bundesamt lässt betroffene Autos zwar weiterfahren, solange aber manipulierte Abschalteinrichtungen erhalten bleiben, ist die zuständige Zulassungsbehörde jederzeit zur Stilllegung berechtigt. In der Hauptuntersuchung erhältst Du mit einem solchen Auto laut Aussagen des TÜV Nord keine Prüfplakette mehr. Wer darauf mit Verkaufsversuchen reagiert, hat Interessenten über die Rückrufanordnung zu informieren. Dies wirkt sich entsprechend auf den Wert des PKW aus.

VW hält dennoch an der Aussage fest, dass größere Wertverluste für manipulierte Autos nicht zu erwarten sind. Weil die erforderliche Technik laut Hersteller ohne Beeinträchtigungen nachrüstbar ist, seien zumindest keine langfristigen Negativeffekte zu befürchten. Die US-Staatsanwaltschaft ist anderer Meinung und warnt vor Veränderungen im Hinblick auf Betriebskosten, Leistung und Verbrauch. Für Modelle wie den VW Golf 2.0 TDI und den Audi A4 2.0 TDI konnten Tests des ADAC diese Befürchtungen aber nicht bestätigen.

"Das Software-Update zeigt keine nachteiligen Einflüsse auf den Verbrauch oder die Dauerhaltbarkeit des Motors." – Nicolai Laude (VW)

2. Diesel-Nachrüstung: Eine Frage der Technik

Die angeordneten Software-Updates sind mittlerweile umgesetzt. Bei allen davon liegt der Fokus auf der elektronischen Motorsteuerung. Verminderungen der Einspritzmenge reduzieren den Verbrauch. Per Nacheinspritzung verbrennen Rußpartikel bei ursprünglicher Leistung anteilig im Zylinder. Im Teillastbereich steigt durch Einspritzdruckerhöhung die Abgasrückführrate, sodass sich Stickoxide sogar bei kalten Außentemperaturen im akzeptablen Bereich bewegen.

Anders als europäische Kunden erhalten US-Kunden nach Software-Updates zusätzliche Hardware-Umrüstungen für VW- und Audi-Fahrzeuge mit 2,0-Liter-TDI-Motoren (Baujahr 2014). Die Modifizierungen betreffen neben dem Dieselpartikelfilter den NOx-Speicherkatalysator und das SCR-System. Dabei reduziert eine AdBlue-Einspritzung mit NOx-Sensor den Ausstoß von Stickoxiden.

„Die technischen Gegebenheiten bei europäischen Fahrzeugen des Typs EA189 unterscheiden sich von den Fahrzeugen, die in den USA umgerüstet werden müssen.“ – Nicolai Laude (VW)

Diesel umrüsten mit Nachrüst-Sets

In Europa waren solche Lösungen ursprünglich also nicht geplant. Allerdings senkten Software-Updates die Stickstoffemissionen um maximal 30 Prozent, weshalb auch die Forderung an einer Beteiligung der Hersteller wieder lauter wird. Für viele Dieselfahrzeuge gibt es inzwischen auch Nachrüst-Sets, die Autohalter erwerben und einbauen lassen können. Nach der Einführung von Fahrverboten in mehreren Großstädten wie zum Beispiel Hamburg steigt das Interesse an der Diesel-Nachrüstung mittels Hardware.

Diesel- und AdBlue-Einfüllstutzen

Die Umrüstung eines Euro-5-Diesels auf Euro-6 konzentriert sich auf Abgasreinigung per SCR-Katalysator und Ammoniakeinspritzung ins Nachbehandlungssystem. BNOx von Twintec-Baumot enthält eine AdBlue-Anlage mit Elektrogenerator und erreicht hohe Leistungen bei niedriger Abgastemperatur. Im Vergleich dazu besteht die BlueFit-Lösung von Faurecia/Amminex aus zwei Ammoniakpatronen in der Reserveradmulde und setzt den SCR-Katalysator an die Unterbodenabgasleitung. Mit beiden Nachrüstungssystemen stehen Dir bei der Euro-6-Umrüstung keinerlei Motormodifikationen bevor.


Mittlerweile hält auch die Bundesregierung eine technische Nachrüstung direkt am Motor von Euro-5-Fahrzeugen für sinnvoll. Der ADAC Württemberg wies an vier Testfahrzeugen verschiedener Prototypen die Wirksamkeit von Hardware-Nachrüstungen für Diesel der Klasse Euro 5 nach. Sie erreichen laut des Automobilclubs eine 70- bis 90-prozentige Reduzierung der Stickoxidemission, wodurch sie der Euro-6-Norm gerecht werden. Laut Autokonzernen ist die Umrüstung allerdings nicht immer möglich. Für bestimmte Modelle schätzt Mercedes außerdem Umrüstungskosten von bis zu 15.000 Euro. Testreihen des ADAC gelangen zu erfreulicheren Ergebnissen.

Der ADAC schätzt die Gesamtkosten für die Diesel-Nachrüstung per Hardware-Kit auf Beträge zwischen 1.400 und 3.300 Euro.

Die bisher bekannten Umrüst-Kits arbeiten selbstständig und ermitteln den Stickoxidgehalt per Sensor, um mit einem Steuergerät die Einspritzmenge der Harnstofflösung zu berechnen. Dass sich die Autoindustrie gegen die Nachrüstungslösungen sperrt, führen Experten auf die erwähnten Aufrufe zur herstellerseitigen Kostenübernahme zurück. Weil Dir neben den Herstellern auch die bisherige Gesetzeslage sämtliche Umrüstungspläne erschwert, fordern einige Politiker mittlerweile sogar Gesetzesanpassungen.

Laut Gesetz brauchst Du zur Umrüstung die Genehmigung des KBA. Auch fordert der Gesetzgeber weitere technische Sperren: Stellt der Sensor nach der Umrüstung einen leeren Tank fest, sorgt die Motorsteuerung dafür, dass sich der Motor nicht mehr starten lässt. Die Abgasnorm Euro 6 in SCR-Fahrzeugen ohne Adblue wäre sonst nicht einzuhalten.

Diesel-Nachrüstungen auch für Euro-6-Fahrzeuge

Diesel Emissionen

Bisher zählen Statistiken auf deutschen Straßen vier Millionen Euro-6-Diesel. Das entspricht einem Viertel des deutschen Gesamtbestandes an Dieselfahrzeugen. Seit der Euro-6-Norm locken Fahrzeughersteller vermehrt mit Umweltprämien, falls Du alte Dieselfahrzeuge gegen aktuelle Euro-6-Modelle eintauschst. Trotzdem zweifeln viele Experten daran, dass sich die neuen Modelle im Realbetrieb normgerecht verhalten. Die Universität Duisburg-Essen fürchtet Fahrverbote für über 95 Prozent aller Euro-6-Dieselfahrzeuge. Daher stellt sich beim Diesel-Umrüsten die Frage nach den Kosten.

„Auch Euro-6-Fahrzeuge können ohne Nachrüstung nicht von Fahrverboten ausgenommen werden.“ – Barbara Hendricks (SPD)

Ob die bloße Umstellung auf Euro-6-Diesel die Stickoxidbelastung deutscher Städte wesentlich verringern wird, bleibt eine Streitfrage. Abhilfe soll im nächsten Jahr die Abgasnorm Euro 6d-TEMP schaffen, die ab September 2019 für neu zugelassene Autos gelten wird. Anders als Euro-6-Fahrzeuge müssen Euro-6d-Modelle auch im Realbetrieb (RDE, Real Driving Emissions) akzeptable Werte nachweisen. Stoßen die Fahrzeuge im Straßenverkehr mehr als 168 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus, fallen sie durch.

3. Fahrverbote in deutschen Großstädten

Obwohl blaue Umweltzonen und dazugehörige blaue Umweltplaketten in 2016 vorerst verworfen wurden, bleiben Dieselfahrverbote auf deutschen Straßen weiterhin ein Thema. Bundesverkehrsminister Scheuer übte im April Druck im Hinblick auf versprochene Software-Updates zur Nachbesserung ganzer fünf Millionen Autos aus. Davon abgesehen erklärte ein Regierungsgutachten die Motornachrüstungen im Hinblick auf Euro-5-Fahrzeuge zu einem realistischen Krisenbewältigungsweg. Folgende Fahrverbote sind in Großstädten aktuell oder in Planung:

Berlin

  • Gültig ab:Juni 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-5
  • Zone: elf Abschnitte in der Innenstadt, darunter Hauptverkehrsstrecken in Mitte und Alt-Moabit

Bonn

  • Gültig ab: April 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-4 und Benziner Euro 1 und 2
  • Zone: Belderberg und Reuterstraße

Fankfurt

  • Gültig ab: Februar 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-4 und Benziner Euro 1 und 2
  • Zone: voraussichtlich die aktuelle Umweltzone

Essen

  • Gültig ab: Juli 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-4 und Benziner Euro 1 und 2, ab September Euro-5-Diesel
  • Zone: aktuelle grüne Umweltzone

Gelsenkirchen

  • Gültig ab:Juli 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-5
  • Zone: Kurt-Schumacher-Straße

Hamburg

  • Gültig ab:Juni 2018
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-5
  • Zone: Max-Brauer-Allee und Stresemannstraße

Köln

  • Gültig ab: April 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-4 und Benziner Euro 1 und 2, ab September 2019 Euro-5-Diesel
  • Zone: gesamte Umweltzone

Mainz

  • Gültig ab: September 2019
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 5 (einzelne Straßen), Euro 4 und älter (Zone)
  • Zone: noch nicht bekannt

Stuttgart

  • Gültig ab:Januar 2019 für Auswärtige, ab April 2019 für Stuttgarter
  • Betroffene Fahrzeuge: Diesel-Abgasnorm 1-4
  • Zone: gesamtes Stadtgebiet (aktuelle Umweltzone)

4. Fazit: Trotz Dieselkrise kein Ende der Dieselära

Bunte Schadstoff-Plaketten

Drei Millionen kostenlose Umrüstungen von Daimler, nachgerüstete Euro-5-Modelle von BMW, 850.000 Softwareupdates von Audi und vier Millionen Umrüstungen bei VW bilden die deutsche Reaktion auf die Dieselkrise ab. Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel die schrittweise Umstellung auf Elektrofahrzeuge bevorzugt, erwarten Experten das endgültige Aus des Diesels angesichts der Umrüstungsbemühungen in naher Zukunft nicht.

Wer Fahrverbote in Umweltzonen künftig ausschließen will, orientiert sich laut ADAC lieber an der Euro-6d- als der Euro-6-Norm. Bislang bleibt die Auswahl an entsprechenden Automodellen begrenzt und bewegt sich im höheren Preissegment. Falls Du aus Kostengründen lieber ein Euro-5- oder Euro-6-Fahrzeug aufrüstest, wende Dich zur Beratung an Deine Werkstatt. Euro-4-Fahrzeuge lassen sich ebenfalls umrüsten. Experten raten in diesem Fall aber zur Kostennutzenanalyse.

Beim Neuwagenkauf eines Diesel bleibst Du hinsichtlich des Modells idealerweise flexibel. Wer Diesel-Neuwagen zum Beispiel least, kann in der Zukunft eher auf mögliche Fahrverbote reagieren.